“A story has no beginning or end: arbitrarily one chooses that moment of experience from which to look back or from which to look ahead.” 2015, wenige Monate vor Ausbruch der ApokalypseRiver wippte im Takt des Songs, welchen er über den MP3 Player, der ihm bereits seit einigen Jahren seine treuen Dienste erwies, abspielte. Der mittlerweile nicht mehr beleuchtete Display zeigte in kantigen Buchstaben den Text „Jimmy Eat World – Bleed American“ an. Die Schrift fuhr dabei unermüdlich von links nach rechts aus dem Bild heraus und tauchte eine Sekunde später auf der anderen Seite wieder auf. River wandte seinen Blick vom Display des MP3 Players und sah zur Uhr an der Wand, deren Sekundenzeiger unbefriedigenderweise jedes Mal ein bisschen nach rückwärts zuckte, wenn er einen Schritt vorwärts machte. Es war 22:37 Uhr, was bedeutete, dass Rivers Schicht noch rund fünf Stunden andauern würde. Er stöhnte und rutschte etwas tiefer in seinen Stuhl im Pausenraum, in dem er eine Zigarettenpause nach der anderen machte.
River zog sich die Stöpsel aus den Ohren und lies den MP3 Player gerade in seine Tasche gleiten als die reizende Stimme einer seiner Kolleginnen verklang.
„
In Gang 41 muss blaue Kotze weggewischt werden“, blaffte Ms. Figueroa in Richtung River, der im ersten Moment noch die Hoffnung hatte, dass er nicht die einzige Person im Pausenraum war und somit nicht derjenige war, der angesprochen worden war. Sekunden später gab er diese Hoffnung auf und blickte von der Uhr zu Mrs. Figueroa. Mrs Figueroa war eine etwa 45-jährige stämmige Frau mit sehr wenig Humor und einer seltsamen Vorliebe für Schildkröten.
„
Blaue Kotze?“, fragte er vorsichtig nach obwohl er die Antwort bereits kannte. Er hatte das verfluchte dicke Kind mit dem blauen 2-Liter-Shake schon beim Betreten des Ladens gesehen. Er sah aus als sei er etwa 8 Jahre alt, hatte die Größe eines 12Jährigen und das Gewicht mehrerer 12Jähriger und trug etwas, das genauso gut ein Pyjama sein konnte. Er hatte es zudem tatsächlich geschafft jeden einzelnen Gegenstand, an dem er vorbeigekommen war, anzufassen. River stellte sich vor, dass nun jeder eben dieser Gegenstände für den Rest seiner Zeit auf dieser Welt klebrig sein würde.
„
Eimer und Mopp findest du in dem Schrank hinter dir. Viel Spaß“, sagte Mrs. Figueroa in gelangweiltem Tonfall, ohne auf Rivers Frage einzugehen und verließ dann mit stampfenden Schritten den Pausenraum. River fragte sich wie viel blaue Kotze sie zu ihren Lebzeiten bereits aufgewischt hatte, um diesen derartigen Zustand der Indifferenz gegenüber ihrer Existenz zu besitzen.
Noch ein weiteres Mal stöhnte River, raffte sich dann aber auf, öffnete den Schrank, auf den Mrs. Figueroa mit ihren von Hornhaut überzogenen Finger gedeutet hatten, und fand darin zwar einen Mob und einen Eimer, aber keinerlei Putzmittel.
„
Hey!“, rief er in der Hoffnung, dass ihn seine Kollegin gegebenenfalls noch hören konnte. „
Wo finde ich denn-“
Inmitten seiner Rückfrage gab River die Hoffnung auf eine Antwort zu erhalten. Selbst wenn Mrs. Figueroa ihn hatte hören können, so würde sie höchstwahrscheinlich so tun als hätte sie es nicht getan.
„
Scheiß drauf“, murmelte River und füllte den Eimer mit Wasser, bevor er den Pausenraum verließ. Er irrte für eine Weile lang umher, auf der Suche nach Gang 41 und ignorierte gekonnt jegliche Frage eines jeden Kunden, der sich erwartungsvoll an ihn richtete.
Die erste Person, die er nicht ignorierte, war ein junger Kerl in seinem Alter, der eben die gleiche bescheuerte Kostümierung wie er selbst trug. River hatte ihn bereits kennengelernt, meinte er, aber war sich nicht ganz sicher wie sein Name war. Als er nah genug an ihm angekommen war, las er ihn fix von der Uniform ab und sagte:
„
Eh Nicolas – Gang 41, blaue Kotze“ und streckte ihm Mob und Eimer entgegen.
@Nicolas DeLoria