Zähneknirschend sah ich die Straße hinab. Es war nebelig und kalt, aber was erwartete man auch von einem Morgen im Oktober. Es wunderte mich, dass ich nach all der Zeit immer noch Wert auf die Tage und Monate legte. Doch ich tat es. Ich schrieb sie auf und strich sie weg. Es war ein kleiner Funke Normalität in dieser verkorksten Welt. Es war also der 20.10.2017. Und wie jeden morgen stellte ich mir die wichtigsten Fragen. Wo wäre ich ohne die Apokalypse ? - Im Gefängnis. War ich am leben ? - Ja. Was war mein Ziel ? - Nate finden. Überleben. Rich töten.
Die Antworten waren jeden morgen die selben. Andere Menschen meditierten, ich tat eben das. Es war nicht zwingend etwas schönes, aber es war zu einer Gewohnheit geworden.
Ich hatte bereits vor Sonnenaufgang die Wohnwagensiedlung verlassen um meine übliche Runde zu gehen, doch heute würde ich sie etwas ausweiten. Ich war bereit. Nach einem Monat der Ungewissheit war ich nun endlich bereit das Asylum zu besuchen. Ich wusste, dass es nicht einfach werden würde, doch es war notwendig. Für meinen Seelenfrieden. Einem eingespielten Automatismus folgend fanden meine Füße sofort den richtigen Weg, schließlich hatte ich fast 2 Jahre lang kaum etwas anderes getan als die Umgebung des Asylums zu begutachten. Inzwischen befand ich mich auf einer der letzten "offiziellen" Straßen bevor die Seitenstraße den Hügel hinauf zu der ehemaligen Nervenheilanstalt führen würde. Meine gelben Gummistiefel hielten die Kälte nicht sonderlich gut ab, doch es war erträglich und so lief ich einfach weiter.
Ich hatte heute auf das 6kg schwere Kettenhemd verzichtet, es lag in meinem Abteil und ich war recht froh über diese Entscheidung. Ich hoffte ein paar meiner alten Dinge bergen zu können und sie in den Rucksack zu packen. Mit dem zusätzlichen Gewicht wäre das Kettenhemd zu schwer gewesen.
Mich umhüllte die Stille des Morgengrauens und tief durchatmend schloss ich die Augen. Ich hatte lange nicht mehr die Stille genossen. Ich hatte sie die letzten Wochen gemieden. In der Stille waren meine Gedanken zu laut. Immer und immer wieder hörte ich die Schreie, sah die anderen panisch umher rennen... sah aus weiter ferne das lodernde Feuer. Ich wollte nicht darüber nachdenken, also hatte ich all das in die letzte Ecke meines Bewusstseins vertrieben nur um in stillen Momenten doch wieder davon eingeholt zu werden. Und wenn ich stillen Momenten entkam, so überrollte es mich im Schlaf.
Bei dem Gedanken an mein Ziel zwickte die fast verheilte Verbrennung an meiner Schulter unangenehm und ich blieb stehen. Wollte ich das wirklich ? Was wenn ich ihre Leichen fand ? Liams oder Cecils ? Lokis ? Kyras?
Entschlossen und wütend über mein Zögern biss ich mir auf die Unterlippe und lief weiter. Es dauerte nicht lange und ich nahm eine Bewegung zwischen den letzten Häusern war. Sofort verharrte ich, den Blick starr auf die Gestalt gerichtet. Sie war kein Beißer, was aber noch lange nicht hieß, dass sie ungefährlich war. Im Gegenteil. Die Apokalypse hatte das schlechteste aus jedem verdammten Menschen hervorgeholt. Nach kurzem Überlegen entschied ich mich gegen das Schwert und für die Walther. Sie hatte nicht mehr viele Schüsse, aber auf diese Entfernung war sie praktischer. Zumal ich nicht sehen konnte ob die Gestalt bewaffnet war. Ich richtete sie noch nicht auf den Schatten, sondern lief langsam weiter, abwartend was mein Gegenüber tun würde. Ich war gegen sinnlose Gewalt... meistens jedenfalls.
@Bellamy Ferenz Rosenberg